mit Texten von Gerhard Roth und Bildern von Lia Lemberg
Weihnachtshasen
Was soll ich denn schon anderes machen, als an Weihnachten als Osterhase zu kommen. Damit meine ich allerdings nicht den Klimawandel, obwohl es seit längerem an Weihnachten genauso warm ist wie an Ostern. Ich muss den Hauptweihnachtsmann vertreten. Das habe ich ihm an seinem Krankenbett versprochen. Der arme Kerl hat Covid-19. Er kann sich nicht mehr so genau an die vielen Geschenkadressen erinnern und hat außerdem keinen Geruchssinn mehr. Nicht einmal mehr die köstlichen Lebkuchen kann er riechen. Vom Glühwein ganz zu schweigen. Seit dem läuft er mit einer Schutzmaske herum. Das muss man sich mal vorstellen: ein Weihnachtsmann mit Maske! War ja vorauszusehen, dass sich einer von denen ansteckt. Wenn man all die Weihnachtsmänner und Nikoläuse in den Geschäften sieht, ohne Abstand und den menschlichen Superspreads ausgesetzt. War ja klar, dass es so kommen musste. Dazu noch die Rentiere in Quarantäne.
Da haben wir Osterhasen es doch viel leichter. Wir arbeiten mehr im Verborgenen und huschen unerkannt überall durch. Außerdem haben wir so gut wie keinen Kontakt mit den Menschen.
Der Hauptweihnachtsmann erklärte uns Osterhasen in einem gemeinsamen internationalen Symposium per Videokonferenz die Sachlage. Schließlich, nach eingehender Diskussion und nach Beratung mit den jeweiligen Fachausschüssen, beschlossen wir in einer nicht öffentlichen Abstimmung, dass wir Osterhasen die Weihnachtsmänner dieses Jahr vertreten. Unsere gemeinsame Sorge gilt vor allem den vielen kleinen Menschenkindern, die dieses Jahr auf keinen Fall leer ausgehen sollten.
Auf meine Frage nach der Gefährdung der Osterhasen, erklärte mir der Sozialbeauftragte der Weihnachtsmänner, dass unser besonderes Augenmerk den Füchsen, den Fallen und den kurzsichtigen Jägern zu gelten habe.
Allerdings sollten wir Osterhasen besonders in Australien vorher ein ausgeprägtes Joggingprogramm absolvieren wegen der Känguruhs, weil die in ihren großen Beuteln mit Leichtigkeit gewaltige Geschenkmengen transportieren könnten.
Zum Schluss unserer digitalen Konferenz wünschten wir den Weihnachtsmännern alles erdenklich Gute mit einem osterhasigen: Hohoho!
(Anhang des Protokolls: muss noch kräftig geübt werden.)
The 19th nervous breakdown
In Anlehnung an einen von den Rolling Stones besungenen Nervenzusammenbruch will ich keineswegs überleiten zu einem imaginären 19. Lockdown. Die Stones brachten damals ganz bestimmt die Zahl 19 nicht mit Covid-19 und dem Lockdown zusammen. Auch wenn mehrere Anzeichen darauf hindeuten, dass diese aktuelle Lightversion vielleicht nicht die letzte in der verhängnisvollen Reihe der grassierenden Pandemie sein könnte.
Warum?
Weil wir nicht achtsam genug sind. Weil wir nicht anhalten, keinen Schritt von unserem Verhalten zurücktreten und nicht konsequent danach handeln: „You better stop, look around, here it comes …“
Here it comes vielleicht doch der dritte oder vierte oder fünfte Lockdown.
Müssen wir in absehbarer Zeit die Lockdowns numerisch verzieren: L3, L4,
L5, L6, L7? Bis zum L19 werde ich es nicht mehr schaffen. Aufgrund der zu erwartenden Virusexplosion und deren konsekutiver merkantiler Folgen (kompletter Infrastrukturzusammenbruch, keine Nudeln, keine Hefe, kein Klopapier) bin ich bis dahin verhungert und total am Arsch.
Wäre immerhin ein schönerer Tod, sich die Stones in einer Endlosschleife um die Ohren wummern zu lassen, als vom Virus aufgefressen zu werden,
Morgen werde ich mal Mick Jagger und Keith Richards anrufen und fragen, ob sie den Song nicht in „The 19th Covid-Lockdown“ aktuell umschreiben können.
Eins noch: Wenn wir uns alle ganz gewaltig an unseren Maskenriemchen reißen (besonders die Virusleugner und Konsorten) werden wir auch keinen L3 erleben und schon gar keinen nervous breakdown. Nicht einmal den ersten.